Gartenbücher - das ist für mich fast schon eine Sucht. Vielleicht, weil Bilder von schönen Gärten mich ähnlich inspirieren wie ein Urlaub. Vielleicht auch, weil Gartenbücher verstehen, wie ich mich fühle, wenn eine Nacktschnecke das Salatbeet besucht hat und warum Kleintier-Hinterlassenschaften ein kostbares Geschenk sein können (vom Pferdemist wage ich gar nicht zu träumen). Wie auch immer: Auf jeden Fall bin ich offenbar nicht allein mit meiner Sucht, denn für Gartenbuch Liebhaber gibt es eine Art Pilgerstätte: Schloss Dennenlohe in Bayern, wo einmal im Jahr der Deutsche Gartenbuchpreis verliehen wird. In diesem Jahr war die Glücksfee mir hold, und ich durfte als Mitglied der Leserjury von „mein schöner Garten“ dabei sein.
Meine Aufgabe beginnt mit der Taxifahrt nach Schloss Dennenlohe. Gemeinsam mit den zwei anderen Leserjury Mitgliedern werde ich an einem verregneten März Nachmittag zum Schloß chauffiert. Da hatte man mir mein Leben lang erzählt, Schlösser, Prinzen, u.a. gäbe es nur im Märchen, und dann das: Vor mir taucht ein Schloss auf, das jedem Märchen alle Ehre machen würde. Anstatt Prinz begrüßt uns ein Garten begeisterter Baron mit seine Frau, und zur Leserjury Sitzung werden wir in den sogenannten Gartensaal geführt: Einen Raum mit floraler Wandbemalung und vielen großen Fenstern. Gern würde ich mich auf eines der verschnörkelten Sofas setzten und erst Mal staunen, doch auf dem Tisch unterm Kronleuchter warten bereits mehrere Stapel mit ca. 35 Gartenratgebern auf uns. In drei Stunden soll das Siegerbuch feststehen. Für jeden Ratgeber bleiben also nur ein paar Minuten. Das sei Luxus, versichert man uns, in den Vorjahren seien es über 50 Ratgeber gewesen.
Dieke van Dieken (Redakteur von „mein schöner Garten“) gibt uns eine kurze Einweisung: Gestaltung, Inhalt, und „das gewisse Etwas“ sollten unsere Bewertungskriterien sein. Also, an die Arbeit!
Um Ratgeber zum Thema Nutzgarten im Buchladen auf die Schnelle beurteilen zu können, hat sich bei mir der „Radieschen Test“ bewährt. Viele Bücher widmen dem Radieschen nur eine paar Sätze, da der Anbau angeblich ganz einfach ist. Bei mir wollten Radieschen anfangs aber überhaupt nicht gedeihen, und da kaum jemand zu diesem Thema schreibt, war es schwierig meinem Problem auf den Grund zu gehen. Auch unter den zahlreichen Ratgebern auf Schloss Dennenlohe findet das Radieschen meist nicht die ihm gebührende Beachtung. Mit einer Ausnahme: „Der Anbau von Radieschen ist nicht so einfach, wie oft angenommen“ beginnt das Radieschen Kapitel im Buch „Alles über Bio Gemüse“ von Ortrud Grieb. Weiter geht es mit einer wirklich guten Anleitung, dazu noch eine Liste mit möglichen Problemen und wie man sie behebt. Andere vermeintlich einfache Gemüsearten wie die Zucchini oder Karotte werden genauso gut beschrieben. Diese Buch hätte mir einiges an Verzweiflung erspart! Zu meiner Freude entdecke ich auch Gemüseporträts von eher ungewöhnlichen Arten wie z.B der Sojabohne. Aus diesem Buch kann ich immer noch etwas lernen und so gehört „Alles über Bio Gemüse“ an diesem Nachmittag ganz klar zu meinen Favoriten.
Während eine Haushälterin in Kittelschürze Tee und Kaffee bringt, verliebe ich mich in ein weiteres Gartenbuch: „Mein wunderbarer Blumengarten“ von Erin Benzakein. Dieses Buch ist so schön gestaltet, das ich an den Inhalt keine großen Erwartungen habe. Doch weit gefehlt, auf jeder Seite, die ich per Zufallsprinzip aufschlage, lese ich etwas interessantes. Anders als der Titel vermuten lässt geht es nicht um Ziergärten, sondern um den Anbau von Schnittblumen. Inspirierende Blumenfotos, Vasentricks, Tipps für lange, kräftige Stängel – alles wird erklärt, und nach ein bisschen Blättern frage ich mich: Warum bin ich eigentlich nie auf die Idee gekommen, Schnittblumen anzubauen? Zu gern würde ich weiterlesen, doch dazu bleibt keine Zeit. Denn nachdem ich meine persönliche Auswahl getroffen habe wartet die wichtigste Aufgabe noch auf uns: Das eine Siegerbuch auswählen, dass uns allen drei gut gefällt. Redakteur Dieke van Dieken hatte uns bereits zu Beginn gewarnt: „Das Siegerbuch ist selten das Liebslingsbuch von einem“. So auch diesmal: Wir einigen uns auf „Genießen statt gießen“, meine persönliche Nummer drei. Das Buch erklärt sehr anschaulich, wie man hübsche Beete gestaltet, die nicht gegossen werden müssen. Da ich mit dem Gemüse schon genug zu tun habe, spricht mich das Thema genauso an wie die anderen Leserjury Mitglieder, die beide sehr große Gärten bearbeiten.
Am nächsten Tag steht die Preisverleihung an. Nach einer Führung durch den Schlossparkt – selbst an einem verregnetem Märztag ist dieser Park beeindruckend schön – geht es zur Preisverleihung in den Marstall auf Schloss Dennenlohe. Dort gibt es wieder einen Tisch voller Gartenbücher. Anders als am Vortag liegen hier nicht nur die Ratgeber aus, sondern die Einsendungen aller Kategorien, z.B Pflanzen Porträt, Bildband, Kinderbuch u.v.m. Gern würde ich an diesem Tisch die ganze nächste Woche verbringen! Unter den vielen Büchern sticht mir eines gleich ins Auge: Tomatenlust von Ute Studer.
Doch zum Stöbern bleibt kaum Zeit, denn gleich zu beginnen dürfen wir als Leserjury unser Siegerbuch vorstellen. „Das Buch reagiert auf den Klimawandel, macht Lust auf leicht zu pflegende Gärten und bietet so einen Gegenentwurf zu den monotonen Schotterwüsten“ verließt mein Jury Kollege unsere Begründung.
Meine Befürchtung, diese Preisverleihung könnte langweilig werden - immerhin wird der Preis in 12 Kategorien vergeben - erweist sich als völlig unbegründet: Obwohl die Moderatorin keinen grünen Daumen hat - „mein Basilikum geht immer gleich in die Blüte“ - führt sie äußerst unterhaltsam durch den Abend.
Nach zwei Preisen gibt es immer eine kurze Pause – mit Häppchen und netten Gesprächen. Zwischendurch kehre ich noch mal zum Büchertisch zurück, um mir das Tomatenbuch näher anzusehen. Mein Radieschentest funktioniert hier natürlich nicht, doch bei den „zehn Tipps für gesunde Tomaten“ finde ich wertvolle Hinweise. Und ich bin nicht die einzige, der das Buch gefällt: Es erhält den zweiten Preis in der Kategogie Pflanzenporträt und einen Sonderpreis der Firma Stihl.
Doch so schön das Buch auch ist, noch mehr beeindruckt mich die Autorin. Denn wichtiger als die Auszeichnung scheint für sie ihre Botschaft zu sein: Als sie auf der Bühne steht und ihren Preis entgegen nimmt, warnt sie uns eindringlich davor, jemals wieder unsere Tomaten zu gießen:„Gießen ist das schlimmste, was Sie ihren Tomaten antun können!“ Nur ein einmaliges, gründliches Angießen erlaubt sie uns. Auch für die Moderatorin hat sie einen Tipp bereit: „Lassen Sie Ihren Basilikum ruhig blühen, die Blüten schmecken viel besser als die Blätter.“ Wunderbar! Was das Gießen, oder besser das Nicht-Gießen angeht, bin ich zwar skeptisch, aber ich werde es auf jeden Fall bei einer Tomatenpflanze versuchen.
Viel zu schnell ist der Abend vorbei und ich muss von dem sagenhaften Tisch voller Gartenbücher und den vielen neuen, netten Bekanntschaften Abschied nehmen.
Mit nach Bonn nehme ich die Erinnerung an die netten Jury Kollegen, ein Märchenschloß und viele Gespräche übers Gärtnern. Und an eine weißhaarige Autorin auf der Bühne, die sich wegen einer Fußverletzung auf ihren Stock stützt und uns verbietet, jemals wieder unsere Tomaten zu gießen.
Wirklich schade, dass Gartenbuch- Kritiker kein Beruf ist!
P.S.: Liebe Frau Studer, das mit dem Nicht-Gießen hat bei mir leider nicht geklappt, aber Ihr Buch ist trotzdem ganz wunderbar. Und Basilikumblüten schmecken mir auch!